Kaltenbach Open Air 2010

Spital am Semmering, Österreich
www.kaltenbach-openair.at
Kaltenbachgraben

Fotos: Sabine Böhm, Anna Grivas

Bewertung: 10/10

Zurück zum Ursprung – das ist nicht nur der Werbeslogan für das Bioprodukt eines Diskonters – nein das war auch das Stichwort für das heurige Kaltenbach Open Air in Spital am Semmering.

Zum achten Mal traf sich die Metalfamilie zum wohl gemütlichsten Extreme-Metal-Festivals Europas (und wohl darüber hinaus).

Dying Fetus, Primordial und Dark Funeral waren nur einige der hochkarätigen Bands, welche heuer am Fuße des Semmerings die Luft noch heißer, die kehlen trockener und die Nacken noch schmerzender machen sollten.

DONNERSTAG, 15.07.2010

Schon bei der Fahrt zum wohl legendärsten Metalfestival der Österreichischen Gebirgswelt wurde unmissverständlich klar: Es wird heiß!

Trotz der frühen Stunde – Ankunft in Spital gegen 10 Uhr – kletterte das Thermometer nahe an die 30 Grad Marke und so war die Erleichterung groß, als wir das Automobil gegen ein Appartement tauschen konnten, welches für die nächsten 3 Tage unser Heim werden sollte.

Klar, werden so manche sagen, der Pinkel ist sich ja zu fein zum campen. Aber ich sag’s euch ehrlich, zu fein bin ich nicht (hab doch schon 7 Jahre KOA hinter mir, mit Camping), aber um beim ‚f‘ zu bleiben, zu faul. Wenn man in ein gewisses Alter kommt, geniest man schon mal gerne die Vorzüge, die ein Zimmer mit Kühlschrank, Toilette und vor allem Dusche zu bieten hat. Erst recht bei der Wetterlage, welche heuer unser Ländchen heimsucht. Hatten wir beim ‚Metalfest‘ im Mai noch Regen und kühle 10°C, so freuten wir uns nunmehr über angesagte 36°C und Unwetter. Nun aber genug von den Leiden des armen Journalisten, gehen wir zu den wirklichen Helden des Festivals: Den Bands, den Veranstaltern und nicht zuletzt den Besuchern.

koa_2010_1Nachdem wir das erste Gewitter abgewartet hatten, machten sich Kollegin Anna und ich auf den Weg zum Festivalgelände und trafen alsbald dort ein. Kaum hatten wir uns mit dem Rest unserer ´Bande` vereinigt ging es auch schon mit Brewed & Canned los. Bei knapp 5% der Festivalbesucher, allerdings maximaler Luftfeuchte eröffneten die Deather bei eher mäßigem Sound. Während dieser sich besserte, schafften dieses die Paganrecken von Heathen Foray nicht. Zu einheitlich, schon dagewesen und unspektakulär die Songs der Steirer. Mastic Scum hingegen entpuppten sich wie erwartet zum ersten Höhepunkt des Festes. Die Wiener vorzeige Deather warfen einen Hammer nach dem anderen in die bereits nach mehr hungernde Meute. Fahrstuhlmusik der Marke Pandabär gab es dann von Infinity. Außer dem singenden Trommler blieb mir nicht viel in Erinnerung. Es musste aber ja auch das eine oder andere Bier mit alten FreundInnen getrunken werden, so kamen sie und die Nachfolgeband Funerus gerade recht. Leichter Regen setzte auch ein. Für Funerus und ihren belanglosen Deathmetal schien sich die weite Anreise aus den USA auch nur bedingt gelohnt zu haben wenn man ihre Gesichtsausdrücke richtig interpretierte. Auch im Publikum war die Stimmung nicht gerade am kochen. Spannendste Erkenntnis für die meisten: Do singt jo a Frau… (Jill Mc Entee, Anm.d.Red.)
Gewohnt souverän und spielfreudig präsentierten sich die Suicidal Angels. Die Thrash-Griechen scheinen ja ganz besondere Österreich-Fans zu sein, spielen sie doch bald jeden Monat in Αυστρία. Die Niederländer von God Dethroned waren wohl für alle die Headliner des ersten Tages. Die bereits seit 18 Jahren ihr Unwesen treibende Deathmetal-Haudegen rund um Sänger/Gitarrist Henri „T.S.K.“ Sattler legten mit ihrem neuen Album ‚Passendale‘ im Gepäck einen motivierten Gig hin und enttäuschten nicht. Die Ami’s von Incantation bekam ich leider nur peripher mit, aus Augenzeugenberichten lässt sich allerdings schließen, dass ich nicht wirklich was versäumt habe.

Nach einer ‚berauschenden‘ Aftershowparty – Klopfer & Jägeri sei dank – ging’s dann per Shuttleservice – großes Danke an die Veranstalter – zur Unterkunft, wo noch das eine oder andere Bierchen dran glauben musste.

FREITAG, 16.07.2010

Als Frühaufsteher der wenig Schlaf gewöhnt ist, saß ich schon zeitig beim Frühstück und machte mich an die Planung des Tages. Dieser sollte Festivaltechnisch für uns mit den schwarzmetallischen Varulv beginnen. Zuvor sorgte allerdings Kollege André für den Dauerbrenner der noch ausstehenden 2 Tage: Seine überaus geschmackvoll erzählten Geschichten rund um ausscheiden und zu sich führen von unaussprechlichen Dingen – zum Glück bin ich doch nicht so versaut wie ich dachte – sollten sich noch bis zum bitteren Ende stets in Erinnerung rufen.

Als alle Vorbereitungen für einen der heißesten Festivaltage überhaupt abgeschlossen waren, machten wir uns mal wieder per pedes auf zum Gelände im Kaltenbachgraben. Dieser erwies sich alles andere als kalt und so waren wir bereits nach der Hälfte des Weges auf Betriebstemperatur, der Rest war Zugabe.

Fast pünktlich zu den o.a. Schwarzheimern, welche sich aus den ehemaligen Impurity entwickelten, trafen wir ein und sofort musste ein schattiges Plätzchen gefunden werden. Mit diesem Gedanken nicht alleine, bemerkte ich, dass die schattige Seite des Festivalareals zwar mit einigen Leuten gefüllt war, vor die Bühne (also in die pralle Sonne) wagten sich aber nur eine Handvoll Auserwählte. Dieses Szenario hielt dann auch bis zum Nachmittag an, obwohl sich Varulv anschickten, die Sonne mit ihren Klängen zu vertreiben. Auch auf die brütende Hitze kann man wahrscheinlich die eher matte Performance der St. Pöltener Deathmetal-Combo Epsilon zurückführen. Die Jungs gewannen ja den Ticket-Verkaufs-Wettbewerb aus dem Vorjahr und durften deshalb wiederkommen. Die Knaben scheinen ja wahre Verkaufsgenies zu sein, denn mit ihrer Mucke locken sie eher wenige hinter den Bäumen hervor. Musikalisch wie fantechnisch in eine andere Kerbe schlugen dann die Kärntner Grindler von Distorted Impalement. Musikalisch ohne Fehl konnten sie mich dennoch nicht vor die Bühne locken. Pigsqueals (ich glaub das nennt man so) sind nun mal nicht das meine.

Anschließend gab es wieder Blackmetal mit Azahel’s Fortress, deren Sänger mehr Interesse am Sitz seiner Haare zu haben schien, als am Auftritt, womit er aber nicht alleine war. Grindig ging es dann weiter mit Sanatorium. Sagen kann ich dazu ebenso viel wie zu den restlichen Bands dieses Genres. ‚Breee, breee, breee…‘

koa_2010_2Für viele ein erstes Highlight des freitäglichen Nachmittags – In Slumber. Die Oberösterreicher rund um Sänger Wolfgang Rothbauer zeigten mal wieder, dass man hierzulande nicht nur arschgeile Musik machen kann, sondern auch ohne „Stars“ im Bandgefüge auskommen kann. Weiter so Jungs! Die Paganfuzzis von Riger haben ihre besten Zeiten wohl auch schon hinter sich. Nach Line Up Änderungen und „Imagewechsel“, zumindest was die Bühnenkleidung betrifft, beeindruckt die Band wohl niemanden mehr wirklich. Vielleicht rächt sich die meist schwammige Abgrenzung von rechtem Gedankengut, wer weiß… ‚Pfarrer‘ Martin Schirenz stürmte im Anschluss mit seinen Hollenthon die Bühne. Immer wieder ein Genuss für Auge und Ohr, auch wenn der neue Mann am Tieftöner noch nicht die Poserqualitäten seines Vorgängers aufweisen kann. Um beim Thema Bass zu bleiben: Diesen zupft bei den Schweden Månegarm diesmal Sänger (und Studio-Drummer) E. Grawsiö. Ein weiteres Highlight der Viking-Metaller jedesmal Geiger J. Liljekvist, der zu später Stunde noch… aber das ist eine andere Geschichte.

Immer jünger und frischer wird auch Thrash-Lady Sabina Classen. Die Holy Moses Shouterin kann mit ihrem gewinnenden Wesen nur überzeugen. Musikalisch ist bei der deutschen Thrash-Legende alles beim alten, warum auch ändern was funktioniert. Grotesk, bewegend, eindrucksvoll, ungustiös. Mit diesen Stichworten beschrieben unterschiedliche Zuseher die Show der Düsterschweden Shining. Kaum ein Metal-Fronter polarisiert aktuell so wie Ritzerkönig Niklas Kvarforth, der weder Blut noch Erbrochenes gescheut hat um den KOA-Besuchern seine Songs anschaulich zu präsentieren. Mit Schwarzstahl der traditionelleren Sorte ging es dann mit den Haudegen von Dark Funeral weiter. Ein mächtiger Gig, wenngleich man beim Blick auf die Bühne auch eine Neuauflage von ‚Gorillas im Nebel‘ vermuten konnte.  Headliner nach dem Headliner waren dann Asphyx. Die Death Metaller aus den Niederlanden sind ja eine der wenigen Bands, bei denen eine Reunion über eine längeren Zeitraum zu funktionieren scheint und nicht nur des Geldes wegen stattgefunden hat. Ach ja, einen soliden Gig boten die Jungs um Martin van Drunen (vocals) auch.

Weiter ging es wie gewohnt mit Schnaps und Bier, Bier und Schnaps, es wurde gesungen, gescherzt und gelacht und mit klarem Kopf ist wohl keiner ins Bett gekommen. Auch wenn er in ‚Brighton [bɹaɪtn]‘ gewesen ist…

SAMSTAG, 17.07.2010

Wie viel Spaß und Freude so ein Festival auch macht, denkt man sich doch immer am Morgen des letzten Tages: Ich mag/kann/will nimmer… Allerdings verziehen sich diese Gedanken zum Glück immer recht schnell (nach dem ersten Bier) und man denkt nur noch wie schade es ist, wenn man wieder nach Hause fahren muss. Überhaupt wenn man zwar in der 2. größten Stadt Österreichs lebt, welche allerdings metaltechnisch schäbiger ist als das letzte Kuhkaff in der südwestoststeirischen Pampa… Aber genug des Frustes, erinnern wir uns doch an die schönen Momente des 8. Kaltenbach Openairs.

koa_2010_3Da man ja im Alter Einiges gemütlicher angehen soll, versäumten wir zu unserem Bedauern die einige der früheren Bands des Tages, darunter Erebos. Von Obscurity, den Bergischen Löwen, bekamen wir noch nicht soviel mit, mehr schon von den tschechischen Quietscheentchen Fleshless. Die waren allerdings durch die Vorfreude auf die nachfolgenden Thrash-Deather von Darkfall leicht zu ertragen. Mit einem Bier bewaffnet ging es dann Richtung Bühne und es war eine Freude die Grazer Jungs mit Sänger & KOA-Mitveranstalter Thomas ‚Spiwi‘ Spiwak auf der Bühne zu erleben. Mit Abstand der beste Gig den ich bisher erleben durfte, Spiwi’s angeschlagene Stimme tat dem keinen Abbruch. Spielfreude, das nötige Talent im Umgang mit den Instrumenten und ein genial weil irrwitziges ‚Lady Gaga – Pokerface‘ Cover komplettierten die Show des Nachmittags-Headliners. Bewundernswert schnell ging dann die Umbauphase für die nächste Band vonstatten. Leider ist man ja von den lettischen Folk-Deathern Skyforger ab und an anderes gewohnt, aber diesmal passte alles. Auch die Performance auf der Bühne. Das Festivalhighlight für mich waren dann Martin van Drunen’s 2. Band, welche das KOA bereichern sollte: Hail of Bullets
Konnten mich die Jungs, welche den schleppenden Death Walzen frönen, auf Platte noch nicht ganz überzeugen, war es doch diesmal um mich geschehen. Mächtig Druck, starke Vocals und ein nahezu perfekter Sound trugen das ihre dazu bei. Darkane aus Schweden hingegen empfand ich eher als nervig, und so war nach 3 hervorragenden Bands mal wieder Rückzug angesagt, wartete doch das nächste Highlight bereits in den Startlöchern. Die norwegischen ‚Nicht mehr ganz so Blackmetaller‘ Keep of Kalessin waren mit ihrem neuen Output ‚Reptilian‘ im Gepäck an den Fuße des Semmerings gereist. Die neuen Songs wirken auf  mich etwas einfacher gestrickt und vor allem eingängiger als die vom Vorgängeralbum, jedoch mitnichten schlechter. Musikalisch lassen die Herren sowieso nichts zu wünschen übrig. Aborted waren dann wieder Vertreter der Kategorie ‚Nicht so Meins‘. Aber der Gig soll laut Zeugenaussagen recht gut gewesen sein. Für viele der Höhepunkt und auch von mir als nicht schlecht empfunden dann der Auftritt von Primordial. Die Iren holten ja den ausgelassenen Gig aus dem Vorjahr nach und hier passte wirklich alles. Die Stimmung, welche die Songs vermitteln wurde durch das herannahende Unwetter, den aufkommenden Wind und das Wetterleuchten unheimlich verstärkt – ganz großes Kino! Und pünktlich zum Headliner geschah dann, was auf keinem Kaltenbach Open Air fehlen darf: Es begann zu regnen, oder besser gesagt zu schütten! Und so spielten Dying Fetus (auch sie holten den Gig vom letzten Jahr nach) zwar nur mehr vor einer kleinen, aber sehr motivierten Schar, welche den Naturgewalten trotzte und sich sicherlich noch lange an diesen ‚speziellen‘ Gig erinnern wird. Ich für meinen Teil beschloss den Tag im Trockenen und befeuchtete lediglich meine Kehle mit einem abschließenden Bierchen.

Abschließend sei vor allem den Veranstaltern nochmals der Dank von uns allen ausgesprochen. Was ihr hier auf die Beine stellt sucht seinesgleichen und stellt wohl für viele das Highlight des Festivalsommers dar. Was soll man dazu sagen außer weiter so, was auch kommen mag…